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27.10.2023

„Vom Collegium Willibaldinum zum Eichstätter Priesterseminar“: Neues Buch erschienen

Buchübergabe im Bischofshaus. Foto: Geraldo Hoffmann/pde

Herausgeber Franz Heiler (links) übergibt Bischof Hanke ein Exemplar des Buches zur Geschichte des Priesterseminars. Rechts im Bild: Prof. Dr. Erich Naab, Vorsitzender des Eichstätter Diözesangeschichtsvereins. Foto: Geraldo Hoffmann/pde

Titelblatt des neuen Buches über das Eichstätter Priesterseminar. Grafik: EOS-Verlag St. Ottilien

Eichstätt. (pde) – Vor neun Jahren feierte das Eichstätter Priesterseminar die 450 Jahre seines Bestehens. Damals bereitete ein Rückblick auf die letzten 50 Jahre die Feierlichkeiten vor, und ein weiterer umfangreicher Band dokumentierte sie. Jetzt ist wieder ein Buch erschienen, im Auftrag des Diözesangeschichtsvereins von Franz Heiler herausgegeben: „Vom Collegium Willibaldinum zum Eichstätter Priesterseminar“. Es widmet sich nicht der ganzen Zeit von der Gründung bis zur Gegenwart der Priesterausbildungsstätte, aber grundlegenden Differenzierungen und neuen Einsichten. Seine Verfasser sind Mitglieder des Eichstätter Diözesangeschichtsvereins (EiDGV).

Die unterschiedlichen Bezeichnungen derselben Institution zeigen in ihr Entwicklungen an: Ein Collegium war von humanistischen Vorstellungen geprägt, das Priesterseminar vom Trienter Konzil für jede Diözese erwartet. Zu Recht bemerkt der Herausgeber, dass Wissenschaft in aller Regel keine letztgültigen, unverrückbaren Ergebnisse liefert. Daher ist ein Thema immer wieder zu beackern. Zwei umfangreiche Beiträge zeigen diese Spannungen in den weltlichen wie geistlichen Angelegenheiten auf. Erstmals sind dafür auch die Statuten von 1564 in deutscher Übersetzung vorgelegt.

Entwicklungen verlaufen gewöhnlich nicht geradlinig und sind daher auch unterschiedlichen Deutungen zugänglich. Die humanistische Intention zeigt eine einladende Offenheit der Gründung an. Diese Wurzel kann sich in unterschiedlicher Weise entwickeln. Drei weitere Beiträge widmen sich den kritischen Situationen in der Seminargeschichte. Die ersten Professoren, die eine unzureichend dotierte Gründung des Bischofs aufpäppeln und lebensfähig halten sollten, werden in 51 Biogrammen kenntnisreich vorgestellt und sind wegen der Aktenlagen möglicherweise nicht vollständig erfasst. 1614 übertrug der Eichstätter Bischof Johann Christoph von Westerstetten den Jesuiten die Leitung des höheren Schulwesens in seiner Stadt. Sie fanden in den Gebäuden bei der Schutzengelkirche ihren Raum. Neben den Schulen entstand im Osten vor den Toren der Stadt ein bischöfliches „Seminar“ für die menschliche Reife und alles, was neben der wissenschaftlich-, theologischen Bildung für den Priesterberuf erforderlich schien. Leider wurde diese Periode bis zur Auflösung des Ordens 1773 nicht weiter thematisiert. Dabei ähnelt sie der Situation seit Mitte des letzten Jahrhunderts, als sich die wissenschaftliche Ausbildung Schritt für Schritt vom Seminar emanzipierte und als eigene Fakultät in der Katholischen Universität angesiedelt wurde. Der Auflösung des Ordens folgte eine schwierige Zeit, die durch den Einsatz von „Exjesuiten“ verzögert werden konnte, aber mit der Säkularisation und Auflösung des Fürstbistums einen zunehmend schrumpfenden Rumpf der ehemaligen Institution zurückließ. Diese dunklen Jahre bis zur Neugründung unter Bischof Karl August Graf von Reisach (1836-1846) werden gründlich aufgearbeitet.

Es folgt ein Rückblick auf die Geschichte der Eichstätter Liturgiewissenschaften, für die hier erstmals eine eigene Professur bestanden hat und deren Inhaber große Anerkennung fanden und finden. Joseph Suttner steht im Mittelpunkt. Dieser erste formelle Vertreter der „Liturgik“ hatte seine Wissenschaft nicht wie üblich mit den Fächern der Pastoraltheologie verknüpft. Er betreute vielmehr auch Kirchengeschichte und prägte in seiner apologetischen Denkweise die folgende Diözesangeschichtsschreibung über 100 Jahre entscheidend.

Wie schon in den Notzeiten des Kulturkampfes und des Zweiten Weltkrieges öffnete sich nach dem Konzil das Seminar stärker in die Weltkirche hinein und beherbergte kroatische Studenten unter einem eigenen Superior. Aber dabei floss die Hilfe vor allem in Richtung Altmühltal. Die Studentenzahlen in Eichstätt waren rapide gesunken; nach dem Übergang der staatlichen Philosophischen-Theologischen Hochschulen in Bayern stand die Kirchliche Hochschule in Eichstätt vor offenen Fragen. Die kroatischen Bischöfe wiederum stimmten trotz der Bedenken wegen der Theologie in Deutschland, aber wegen der Situation im kommunistisch regierten Land und der großzügigen finanziellen Unterstützung aus Eichstätt, der Ausbildung von 50 Priesterkandidaten aus Jugoslawien in Eichstätt zu. Von einem Studium Eichstätter Kandidaten in Kroatien ist nichts bekannt. In die Gegenwart führt ein weiterer Artikel über Ausländer im Seminar aus weltkirchlicher Perspektive, in dem die Grundlagen und Intentionen der Aufnahme von Studenten aus der indischen und den afrikanischen Partnerdiözesen und anderswoher aufgezeigt werden. Bemerkt wird auch die zunehmende Neuorientierung der Studenten, die eine pastorale Tätigkeit in Deutschland aufnehmen. Während ein langes Eingangszitat einer Kommission der Deutschen Bischofskonferenz für die hiesigen Seelsorger eine bessere Kenntnis der Kirche in anderen Weltgegenden anmahnt, werden die (nicht gerade häufigen) Studien und Praktika der Eichstätter Kandidaten in anderen Erdteilen gänzlich übergangen.

Zuletzt erinnert Ludwig Mödl auf der Grundlage des konziliaren Neuansatzes, der schleppenden Reformen und der globalisierten Gegenwart an die kirchlichen Grundaufgaben, die er im „eigentlich religiösen Handeln“ (Verkündigung, Gebet, Liturgie etc.), den dazu nötigen Institutionen der Gemeinschaft und der Diakonie sieht. Eine recht spekulative, grobe Skizze auf das, „was gewesen sein wird“, gibt den Hintergrund für einige thesenhaft formulierte Konsequenzen für heute und morgen. Ein Personenverzeichnis ist beigegeben.

Es war keine geschlossene Geschichte des Eichstätter Seminars beabsichtigt. Doch die Themen des Bandes sind sorgfältig recherchiert, sehr informativ und in Analyse wie Deutung anregend und ernstlich zu diskutieren. Sie sind von wissenschaftlichem Anspruch, aber auch von Empathie für das „Willibaldinum“ getragen.

Text: Prof. Dr. Erich Naab, Vorsitzender des Eichstätter Diözesangeschichtsvereins

Vom Collegium Willibaldinum zum Eichstätter Priesterseminar. Hrsg. von Franz Heiler im Auftrag des Eichstätter Diözesangeschichtsvereins (Beiträge zur Geschichte der Diözese Eichstätt, Bd. 3), EOS: St. Ottilien 2023. – 325 Seiten; ISBN 978-3-8306-8133-5; im Buchhandel 39,95 Euro, für Mitglieder über den EiDGV 20 Euro.